Lok Leipzigs Nachwuchs versucht sich beim Blindenfußball
Es ist eine Trainingsstunde der besonderen Art für die Jugendfußballer von Lokomotive Leipzig. Statt präziser Pässe und strammer Schüsse wird heute daran gearbeitet, überhaupt den Ball zu treffen - und dabei nicht ständig mit den anderen Spielern zusammenzustoßen. Statt feiner Technik zählen heute gute Ohren, denn es steht Blindenfußball auf dem Programm.
Die etwas andere Übungsstunde findet unter dem Titel "Die neue Sporterfahrung" statt und wurde von Deutscher Telekom, Behindertensportverband und Deutschem Fußballbund ins Leben gerufen. Für die zwei Trainingseinheiten sind auch zwei aktive Blindenfußballer angereist: Andreas Hausmann und Jörg Fetzer spielen für den Chemnitzer FC, der in der gerade beendeten Saison den dritten Platz in der Blindenfußball-Bundesliga erreicht hat.
Gespielt wird beim Blindenfußball mit vier Feldspielern und einem Torhüter auf einem kleinen Feld mit Handball-Toren. Um den Sportlern die Suche nach dem Spielgerät zu erleichtern, sind in das Leder Rasseln eingebaut. Sehende Mannschaftskollegen, die sogenannten Guides, stehen hinter dem gegnerischen Tor und an der Mittellinie, um die Spieler zusätzlich durch Zurufe zu dirigieren.
Bevor es an die ersten Übungen geht, erklärt Jörg Fetzer den Junioren, worauf es ankommt: "Der Ball springt viel weniger. Und weil man ihn nicht hören kann, wenn er fliegt, werden nur sehr wenig hohe Bälle gespielt." Ein Kopfballtor im Blindenfußball, das sei fast unvorstellbar.
Nachdem die Regeln geklärt sind, bekommen die Lok-Fußballer ihre Ausrüstung - eine Dunkelbrille. Die wird auch von den Blindenfußballern getragen. Denn nicht jeder Profi hat hundert Prozent seiner Sehkraft eingebüßt - die Brille soll Chancengleichheit herstellen. An den Brillen hängt außerdem ein Kopfschutz, der die Spieler bei einem Zusammenprall schützen soll.
Nach einigen Koordinierungsübungen und einem kleinen Schusstraining versucht sich der Lok-Nachwuchs in einem kleinen Testspiel. Durch die Turnhalle am Bruno-Plache-Stadion hallen die Rufe der Guides und der Spieler. So mancher Schuss geht auch aus nächster Nähe knapp am Tor vorbei - und das, obwohl an diesem Tag ohne Torhüter gespielt wird.
Bei den Profis ist der Torwart der einzige sehende Spieler. Ein sonderlicher Vorteil sei das trotzdem nicht, sagt Jörg Fetzer. "Die Torhüter dürfen nicht so weit herausrücken wie im Fußball. Der Trick für den Stürmer ist es, den Ball mit der Pike zu spielen - dann ist er auf die kurze Distanz sehr schwer zu parieren."
Nach dem Training haben die jungen Fußballer noch einmal Gelegenheit, die Gäste aus Chemnitz über ihren Alltag zu befragen. So erfahren sie beispielsweise, dass Andreas Hausmann in einem Dunkelcafé kellnert, und dass Jörg Fetzer im Tübinger Landratsamt arbeitet - als Jurist.
Bei den jungen Kickern hat der Abend mit den Blindenfußballern jedenfalls Eindruck hinterlassen. "Ich hatte vorher überhaupt keine Vorstellungen, was mich erwartet", sagt A-Jugend-Fußballer Paul Lehmann. "Es ist ziemlich ungewohnt, blind zu spielen. Der schwerste Teil war für mich das Schießen."
Ziel der Aktion sei es, "der Jugend zu zeigen, wie Menschen trotz ihrer Behinderung Sport treiben", erklärt Ullrich Arnold. Der Lok-Kassenwart hat die Aktion vor Ort vorbereitet. Außerdem geht es dem Verein auch darum, Akzeptanz für den Sport zu schaffen und ihn bekannter zu machen. Denn Lok hat sich zum Ziel gesetzt, selbst eine Blindenfußballmannschaft aufzustellen. Es wäre nach Chemnitz die zweite in den neuen Bundesländern.
Stefan Lehmann